Tja, das war´s dann wohl. Danke liebes EU-Parlament, dass ihr den Weg für das 2. Klassen Internet geebnet habt. Was ihr so schön formuliert habt mit den Ausnahmen zur Netzneutralität, ist nichts anderes als die „Box der Pandora“ zu öffnen. Die Telekom liess ja nicht viel Zeit vergehen, um seine „Sonderdienste“ der Welt zu präsentieren.
Wie schrieb Timotheus Höttges im Telekom Blog dieser Tage:
Gerade Start-Ups brauchen Spezialdienste, um mit den großen Internetanbietern überhaupt mithalten zu können. Google und Co. können sich weltweite Serverparks leisten, damit die Inhalte näher zu den Kunden bringen und die Qualität ihrer Dienste so verbessern. Das können sich Kleine nicht leisten. Wollen sie Dienste auf den Markt bringen, bei denen eine gute Übertragungsqualität garantiert sein muss, brauchen gerade sie Spezialdienste. Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur. Und es sorgt für mehr Wettbewerb im Netz.
Dieser Satz „Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent.“ hat irgendwie was von Lehnsherrenschaft, bei der man seinen Zehnt (den zehnten Teil seines Ertrags) an den Lehnsherren (in diesem Fall den Provider seiner Wahl) entrichten muss.
Auch wo man hier jetzt mehr Wettbewerb entstehen soll, erschliesst sich mir ehrlich gesagt nicht so ganz. Es gibt dann entweder die, die auf den Zug aufspringen und dafür bezahlen oder halt die Unternehmen die eben dann aussen vor bleiben und mit dem zurecht kommen müssen, was halt übrig bleibt. Für mich klingt das eher wie ein Innovations-Killer, denn einen Innovations-Booster.
Das Gleiche soll dann im Übrigen auch für Privatpersonen (z.B. Gamer) gelten. Wenn du nen schönen Ping und einen konstanten Stream haben willst, dann soll man das auch in Zukunft für ein paar Euros on top machen können. Zugegeben, Computerspiele sind jetzt nicht das Kriterium. Es gab auch Computerspiele vor dem Internet-Zeitalter. Es macht halt viel mehr Spass mit anderen Menschen zu spielen, aber wenn ich Morgen wieder zu Anno2070 oder Command&Conquer zurück gehen müsste, würde für mich die Welt nicht untergehen. Aber überlegen wir mal: Eine konstante Leitung, samt dem entsprechenden Speed…ist das nicht eigentlich was, das man als Kunde erwarten würde, also das was Kundenzufriedenheit ausmacht? Und für Themen wie Streaming wurden doch von den Providern genau diese Bandbreiten entwickelt, damit sie ein Stück des Kuchens abbekommen.
Die Frage ist halt: Wo fängt das Thema an, wo hört es auf? Wenn keine klare Grenze gezogen wird, was im Moment de facto der Fall ist, könnte man doch theoretisch aus allen Massenanwendungen einen „Sonderdienst“ machen. Was bliebe dann noch übrig? Surfen auf auf Wikipedia? Filme anschauen auf 320p? Netzneutralität ist ein Garant dafür das Entwicklungen für die Bevölkerung als Ganzes voran getrieben werden, und nicht für einen bestimmten Personenkreis mit entsprechendem Budget.
Auch wenn Timotheus Höttges das vielleicht anders sieht.
Ich frage mich halt, wofür die Anbieter in den letzten Jahren die Bandbreiten soweit erweitert haben, wenn sie jetzt auf einmal anfangen hier nun das Internet beschränken zu müssen. Über Kabel sind Bandbreiten heutzutage bis zu 200 Mbit möglich. Mit dem entsprechenden Ausbau der Serverkapazitäten und dem technischen Fortschritt dürfte auch das stetig anwachsende Datenvolumen handlebar beleiben. Hier sehe ich hier jetzt irgendwie nicht die Notwendigkeit hier „Sonderdienste“ im privaten Sektor benötigen zu müssen.
Unstrittig ist das man das Internet bzw. den Datenstrom inzwischen aufgrund des Aufkommens für ganz bestimmte Dienste geclustered werden muss. Wenn autonomes Fahren oder medizinische Themen tatsächlich mehr und mehr auf dem Internet basieren, dann müssen für diese Themen gesonderte Räume geschaffen werden. Ich möchte nicht eines Tages in einem solchen Auto sitzen, und plötzlich erscheint auf dem Display „Connection to Server is lost“. Das wäre echt etwas uncool. Aber auch dafür kann es technische Lösungen geben. Und ja, vielleicht sollen und müssen hier die Konzerne sich gemeinsam in ein Boot begeben und hier Lösungen erarbeiten. Das Zauberwort hier ist jedoch „gemeinsam“. So wie sich die Situation jetzt darstellt, wird jedem Konzern hier ein Telekommunikations-Konzern „auf´s Auge gedrückt“, ob er will oder nicht.
Die Frage die an dieser Stelle gestellt werden sollte (und die sich vielleicht die Abgeordneten hätten auch einmal stellen sollen):
Wo würde ich als Vorstand eines auf Gewinn orientierten Unternehmens stärker investieren und Fortschritt voran treiben: Bei einem „Standard“-Service oder bei einem Dienst, der mir on top noch zusätzlichen Revenue einbringt?
Nur so als kleine Randbemerkung:
2014 hat die Telekom laut dem Spiegel ihren Gewinn auf 2,9 Milliarden EUR gesteigert. Da dürften in Zukunft dann dank der „Sonderdienste“ doch ein paar zusätzliche Euros in die Kassen kommen.
Irgendwie scheint genau das nachdem, was man so liest nicht der Fall gewesen zu sein. Die Lobbyisten der Telekommunikationsbranche haben hier offensichtlich ganze Arbeit geleistet.
Mit dem jetzigen Entschluss wird Fortschritt im Bereich Netz und Telekommunikation auf alle Fälle nicht gebremst. Vielleicht wird er sogar beschleunigt, aber um welchen Preis? Werden wir bald eine upper und eine lower class in Europa haben, was das Thema Internet betrifft? Wie passt das zusammen mit dem Entschluss die Bandbreiten in Deutschland zu erweitern, damit jeder Bundesbürger Breitband Internet nutzen kann (die Frage ist dann: Was kann er denn dann noch nutzen, ohne gleich nochmal zahlen zu müssen)?
Fragen über Fragen, aber sicher ist…die Auswirkungen werden wir relativ schnell zu spüren bekommen. Auf die eine oder andere Art und Weise.